Rückschlüsse aufgrund des Fundmaterials
„Na, heute schon Gold gefunden?“ Sicher haben die Ausgräber des Schnellerts diese Frage schon oft von vorbeikommenden Spaziergängern gehört.
Die Formel “Ausgrabung=Schatzsuche“ gehört jedoch inzwischen der Vergangenheit an. Die archäologischen Ausgrabungen dienen vor allem dazu, Geschichte zu rekonstruieren. Während schriftliche Quellen hauptsächlich von politischen, wirtschaftlichen und Rechtsangelegenheiten berichten, geben archäologische Quellen auch Auskunft über das alltägliche Leben.
Die meisten archäologischen Funde sind auf den ersten Blick recht unansehnlich. Dies ist nicht verwunderlich, handelt es sich doch zum größten Teil um Abfall, denn Gebrauchsgegenstände und wertvolle Dinge wurden bei einem ausgebrochenen Feuer entweder von den Bewohnern gerettet oder zum Beispiel bei kämpferischen Auseinandersetzungen von den Siegern geplündert.
Im Abfall landeten unter anderem massenhaft kaputte Keramiktöpfe, da sie geringen Wert hatten und zu anderer Verwendung nicht geeignet waren. Dagegen konnten Abfälle aus Holz (Möbel, Geräte, Geschirr) im Herd oder Ofen verheizt werden. Beschädigte Dinge aus teuren Edelmetallen (vor allem Gold) wurden zu einer neuen Verwendung wieder eingeschmolzen, wenn man sie nicht mehr reparieren konnte. Deshalb sind Schatzfunde bei Ausgrabungen eine Seltenheit.
Viele Dinge blieben auch nur unter bestimmten Bedingungen erhalten. Organisches Material (Holz, Leder, etc.) überdauert in unserem Raum nur in feuchtem Milieu (Brunnen, Kloaken, Latrinen, Moore, Gewässer). Selbst Zinn verwandelt sich bei Temperaturen unter 15° C allmählich in graues Pulver (Zinnpest).
Die Zusammensetzung der Funde hängt auch davon ab, wer sie uns hinterlassen hat. Der Hausstand eines Bauern war natürlich bescheidener als der eines Burgherrn.
Alltag auf dem Schnellerts
Die Funde vom Schnellerts, die aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen, geben uns über folgende Lebensbereiche Auskunft:
Essen und Trinken
Gekocht wurde überwiegend in großen Keramiktöpfen, deren Reste auf dem Schnellerte in großer Zahl gefunden wurden. Andere mittelalterliche Küchengeräte wie eiserne Pfannen, Grapen und Kessel aus Bronze fehlen bisher im Fundmaterial. Eine große eiserne Schöpfkelle vom Schnellerts kann man auf vielen mittelalterlichen Abbildungen wiederfinden. Zeugnis der Käseherstellung ist ein Gefäß mit durchlochtem Boden. Da es solche Siebtöpfe nicht zu kaufen gab, nahm man einen normalen Topf und brach die Löcher selber hinein. Zum Kücheninventar gehörten auch viele
Aufbewahrungsgeräte aus Leder und Holz (Schläuche, Fässer), die uns nicht überliefert sind.
Im Mittelalter sah ein gedeckter Tisch anders aus als heute. Die Speisen wurden in Schüsseln aus Holz serviert. Man bediente sich daraus mit einem Stück Brot oder einem Holzlöffel. Es war üblich, daß jeder sein eigenes Messer zum Essen mitbrachte. Die Messer hatten Griffe aus Holz oder Knochen, die manchmal verziert waren.
Getränke wurden aus großen Tüllenkannen in kleine Becher eingeschenkt. Auf dem Schnellerts wurden nur Becher aus Keramik gefunden, während solche aus Holz, Zinn oder gar Silber fehlen. Glasbecher wurden zu der Zeit, als der Schnellerts bestand, nicht benutzt.
Die wichtigsten Speisen waren Breie aus Getreide und Gemüse. Auch Milch und Milchprodukte hatten große Bedeutung. Fleisch, Fisch und Geflügel hingegen standen nur bei einer gehobenen Schicht täglich auf dem Speisezettel. Dazu gab es Wasser, Milch, Säfte, Wein, Met und Bier zu trinken.
Wohnen
Mittelalterliche Häuser waren für moderne Verhältnisse spartanisch eingerichtet. Da Möbel weitgehend aus Holz waren, hat man auf dem Schnellerts nur Eisenteile gefunden, die an ihnen angebracht waren: Nägel, Beschläge, Schlösser und Schlüssel dazu.
- Truhe als Möbelstück genutzt. Schränke gab es noch nicht.
- Beschläge
- Truhenschloß stark verrostet und verbogen
Eine gegenüber dem einfachen Herdfeuer fortschrittliche Form der Beheizung war der Kachelofen. Auf dem Schnellerts stand eine ganz frühe Form aus tönernen Topfkacheln. Die Ofenkacheln und Fragmente von damals seltenem Fensterglas zeigen überdurchschnittlichen Komfort auf dem Schnellerts an.
Spinnen und Weben
Spinnwirtel und ein Webkamm belegen Stoffheretellung auf dem Schnellerts und lassen vermuten, daß dort auch Frauen gelebt haben.
- Mittelalterliche Stube
- Spinnwirtel Schnellertsfund
Reiten
Das häufigste Fortbewegungsmittel waren für den Großteil der Bevölkerung die eigenen Füße. Die auf dem Schnellerts gefundenen zahlreichen Belege für Reiterei (Hufeisen, Hufnägel, Trense, Steigbügel, Sporenrad, Pferdestriegel, Kette) zeigen, daß hier Pferde gehalten wurden. Zumindest einige der Schnellertsbewohner gehörten somit zu einer privilegierten Schicht, die sich Pferde leisten konnte. Dies bestätigt auch ein schön verzierter Steigbügel aus vergoldetem Messing.
- Hufeisen Schnellertsfund
- Hufeisenbruchstück Schnellertsfund
- Steigbügel Schnellertsfund
Kampf und Jagd
Eiserne Pfeilspitzen belegen, daß am Schnellerts gejagt wurde. Die Armbrustbolzen mögen wohl auch zur Jagd benutzt worden sein, jedoch sprechen ihre große Zahl und die Häufung in einem Bereich der Burg eher für eine Verwendung im Kampf um den Schnellerts. Daß hier massive Auseinandersetzungan stattgefunden haben, beweisen unter anderem auch die auf dem Schnellerts gefundenen Kanonenkugeln.
- Angriff auf eine mittelalterliche Burg.
- Büchsenmeister mit Handrohr um 1405
- Armbrustbolzen Schnellertsfund
Ein Signalhorn wurde wahrscheinlich bei drohender Gefahr zur Warnung und Weitermeldung verwendet. Der Schnellerts stand wohl als Wachposten in einer Reihe von ähnlichen Anlagen. Auch von der nahegelegenen und gleichzeitigen Burg Tannenherg ist ein solches Signalhorn bekannt.
Tracht
Von der Bekleidung der Schnellertsbewohner blieben nur Metallteile erhalten: Eisen- und Bronzegürtelschnallen und Beschläge mit punktiertem Rautenmuster für die Riemenenden. Große Schnallen können allerdings auch zum Pferdegeschirr gehört haben.
Spiel
Die Zeit vertrieb man sich auf dem Schnellerts auch mit dem im Mittelalter sehr beliebten Würfelspiel. Zwei kleine Würfel aus Knochen wurden bisher schon gefunden.
Wie wir gesehen haben, zeigt der größtenteils unscheinbar wirkende Fundbestand doch einen für die damalige Zeit hohen Lebensstandard auf dem Schnellerts. Auch geben die Funde Indizien für viele Bereiche des alltäglichen Lebens. Es bleibt zu hoffen, daß Funde aus künftigen Grabungen auf dem Schnellerts das Bild ergänzen und vervollständigen.
Comments by Monika Prinzessin zu Erbach-Schönberg