Nach nunmehr 10-jähriger Tätigkeit der Forschungsgemeinschaft Schnellerts (FGS) scheint es angebracht zu sein, eine Bilanz über die in diesem Zeitraum geleistete Arbeit zu präsentieren.
Wer anfang der 70-er Jahre über den Schnellertsberg gewandert ist, wird außer einigen kleineren Erderhebungen und einem üppig wuchernden Dornengestrüpp nur mit Mühe die Reste einer ehemaligen Burg erahnt haben.
Der Wissensdurst trieb junge Leute dazu, innerhalb des früheren Burgraumes in unerlaubter Weise eigene Grabungen zu unternehmen, um nach den in der Erde verborgenen Geheimnissen zu suchen. Die bekannte Sage vom Schnellertsherrn und einzelne Berichte über Grabungen im 19. Jahrhundert mögen sie dazu bewogen haben. Diese heimliche Tätigkeit der Raubgräber – so nennt man die Leute, die in ungesetzlicher Weise die Erde nach verborgenen Schätzen aufwühlen – kam dem Heimatforscher Georg Dascher aus Ober-Kainsbach zu Ohren. Er stellte die Übeltäter, nahm dann Kontakt mit dem Landesamt für Denkmalpflege auf und gründete anschließend die Interessengemeinschaft Schnellerts, die nun offiziell mit behördlicher Genehmigung in der Schnellertsruine planmäßige Grabungs- und Sicherungsarbeiten aufnahm.
Das erste Projekt war die Freilegung des Turmstumpfes. Der Interessengemeinschaft gelang es jedoch nicht, die erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen, um den freigelegten Turmstumpf konservieren zu können. Auf der Suche nach besseren organisatorischen Möglichkeiten wurde am 6. August 1976 die Forschungsgemeinschaft Schnellerts e.V. mit Sitz in Brensbach-Stierbach gegründet, die nun als erstes den Turmstumpf konservieren lassen konnte.
Die FGS, die sehr rasch als gemeinnütziger Verein anerkannt wurde, hatte sich das Ziel gesetzt:
- die mit der Burgruine Schnellerts verbundenen historischen Ereignisse wissenschaftlich zu erforschen und
- zur Unterhaltung der Burgruine Schnellerts beizutragen, um damit einen Beitrag zur Pflege der Kultur und geschichtlichen Tradition des oberen Gersprenztales und der näheren Umgebung zu leisten.
Die Tätigkeit der FGS erstreckt sich dabei auf die vier folgenden Gebiete:
- die Sicherungsarbeiten auf dem Schnellerts und Auswertung der Funde,
- des Studium von Urkunden und anderen historiscben Quellen,
- den mit dem Schnellertsberg verbundenen Sagenkreis und
- die belletristische Literatur, die den Schnellerts zum Gegenstand hat.
Unmittelbar nach der Gründung der FGS wurde vom Vorstand beschlossen, jährlich einen „Schnellertsbericht“ zu veröffentlichen, der von der Tätigkeit der FGS Rechenschaft ablegen sollte. So erschienen seit 1976 in ununterbrochener Folge 9 Schnellertsberichte, die in erster Linie über die Aufräumungs- und Sicherungsarbeiten in der Schnellertsruine und die dort ans Tageslicht gebrachten Funde berichteten. Die Funde selbst geben Anlaß, über die Art und ihre Verwendung durch die in der Schnellertsburg lebenden Menschen eingehend zu untersuchen. Die zahlreichen Funde, die während der 10-jährigen Tätigkeit der FGS in der Schnellertsruine zutage getreten sind, haben einige Aspekte aus der dunklen Geschichte dieser Burg aus spätstaufischer Zeit erhellt und eine fundierte Vorstellung davon vermittelt, wie die Bewohner der Burg gelebt haben.
Neben den alljährlichen Schnellertsberichten hat die FGS auch zu weiteren historischen Veröffentlichungen ermutigt und ihre Finanzierung übernommen. Besonders erwähnt sei das im Jahre 1980 von der FGS herausgegebene und von Karl Eidenmüller in eine lesbare, moderne Sprache übertragene „Brensbacher Vogteygerichtsbuch“ (1576 – l747).
Unter der Federführung von Georg Dascher erfolgte eine Neuauflage des im Jahre 1950 von Leonhard Daum veröffentlichten Buch “Der Marktflecken Brensbach in der Vergangenheit“.
Im Jahre 1985 erschienen von Thomas Steinmetz „Burgruine Reichenberg“ und eine von Karl Hofferberth initiierte Neuauflage von Karl Schäfers “Der Falkner von Rodenstein“.
Seit dem Jahre 1977 führt die Forschungsgemeinschaft Schnellerts im Monat August ihr “Schnellertsfest” durch, das bei den Bewohnern der umliegenden Ortschaften guten Anklang gefunden hat. Der Schnellerts wurde so zum Ort der Begegnung zwischen Menschen, die sich freuen, jedes Jahr einmal auf dem Schnellerts zusammenzutreffen. Das Schnellertsfest steht jeweils unter einem bestimmten Motto, das Bezug nimmt auf Berufe und Tätigkeiten, die durch die stürmische Industriealisierung unseres Landes in den letzten Jahrzehnten völlig in Vergessenheit geraten sind. Die FGS leistet durch ihre Ausstellungen beim Schnellertsfest einen weithin geschätzten Beitrag zur Heimat- und Volkskunde, indem sie vor allem für jüngere Menschen berufliche Tätigkeiten demonstriert, die diese allenfalls noch aus Büchern kennen.
Auch die Presse würdigte die Tätigkeit der „Schnellertsleute“ und ihren Idealismus. Besonders die lokalen Zeitungen verfolgten regelmäßig die Ergebnisse der Arbeiten der FGS. Aber auch überregionale Zeitungen, wie „Die Welt“ und „Bild“, berichteten bundesweit über das, was sich auf dem Schnellerts tat. Das „Schülermagazin“ schrieb in einem längeren Artikel über die Arbeiten auf dem Schnellerts und bezeichnete diese als eine nützliche und sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
Die Aktiven der Forschungsgemeinschaft Schnellerts haben sich in 10-jähriger Praxis umfangreiche Kenntnisse der Archäologie in Theorie und Praxis angeeignet, so daß man sie heute kaum noch als Laien bezeichnen kann. Mit wissenschaftlichen Methoden haben sie die jährlichen Ergebnisse ausgewertet und auch der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Hierzu dienten Ausstellungen, Vorträge und zahlreiche Führungen von Besuchergruppen in der Schnellertsruine. Selbst in Esy-sur-Eure, der Partnerschaftsgemeinde von Brensbach in der Normandie, haben die Schnellertsleute ihre Funde einem interessierten Publikum vorgeführt.
Zur theoretischen Schulung der aktiven Schnellertsmitarbeiter dient eine historische und archäologische Fachbibliothek, die besonders auch auf die Burgenkunde spezialisiert ist. Vergleiche mit anderen Burgen aus derselben geschichtlichen Periode führten aufgrund gegebener Daten und mit etwas Phantasie zu einer Rekonstruktion der Schnellertsburg, die anschaulich darstellt, wie sie vor etwa 700 Jahren ausgesehen haben könnte.
Im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurde in mühsamer Kleinarbeit und unter Leitung der Maurermeister Adam Bohländer und Hans-Joachim Döring, die sich noch sehr gut auf die Technik des „wilden Mauerwerks“ verstehen, bei der Toranlage und der inneren Ringmauer die beidseitigen Schalmauern bis in Höhe des Mauerkerns ergänzt und mit eisenmonierter Abdeckung versehen. So präsentiert sich heute die Schnellertsruine als ein abgeschlossener, einheitlicher Komplex.
Die Arbeit der Forschungsgemeinschaft Schnellerts wäre in den vergangenen zehn Jahren nicht so erfolgreich gewesen, hätte sie nicht in gutem Einvernehmen mit den zuständigen Behörden gestanden. Hier verdienen erwähnt zu werden die Gemeinde Brensbach, der Landkreis Erbach und das Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden, die besonders in den ersten Jahren des Bestehens die FGS in finanzieller Hinsicht tatkräftig unterstützten. In den folgenden Jahren ist es der FGS gelungen, alle Arbeiten in der Schnellertsruine und sonstige Tätigkeiten aus eigener Kraft zu finanzieren.
Die vorliegende Festschrift gibt in den einzelnen Artikeln einen umfassenden Überblick über den Fortschritt an Erkenntnissen über die Schnellertsburg, der durch die Arbeit der FGS im abgelaufenen Jahrzehnt erzielt wurde. Damit ist die Arbeit der Schnellertsleute aber nicht abgeschlossen, sie wird fortgesetzt in der Hoffnung, das noch nicht gelöste Geheimnis der Herkunft der Burg endgültig lüften zu können.
Comments by Georg Wagner