Ein chronol. Rückblick auf 10-jährige Arbeit auf dem Schnellerts.
Grabungstätigkeiten „unbekannter Personen“ waren der Anlaß für das Landesamt für Denkmalpflege, die Erlaubnis zu Aufräumungs- und Sicherungsarbeiten auf der Burgruine „Schnellerts“ zu erteilen, welche zunächst von der AVA aus Dieburg durchgeführt wurden.
Nahziel der Bemühungen war die Konservierung des an der Ostseite des Burgareals befindlichen Bergfriedstumpfes. Hierzu mußte der einem Schutthaufen gleichende Turmstumpf bis auf den anstehenden Fels freigelegt und von Erde und Bewuchs gesäubert werden. Die eigentliche Konservierung wurde aufgrund finanzieller Schwierigkeiten erst im Frühjahr 1977 durchgeführt.
Unterdessen wurde westlich der Nordecke des Berings ein parallel zur Ringmauer verlaufendes längliches Planum angelegt. Hier stieß man alsbald auf die Überreste eines abgebrannten Fachwerkgebäudes in Form von großen Brandlehmbrocken und Bruchstücken von Hohlziegeln (Mönch-Nonne-Deckung). Die Fundamente dieses Gebäudes konnten bis heute nicht aufgefunden werden, so daß seine Abmessungen unbekannt sind. Das Fundmaterial dieses Planums war mehr quantitativ als qualitativ bedeutsam; die reichhaltigen Keramikfunde setzten sich aus den Bruchstücken von einheitlich gestalteten Topfkacheln und unglasierten Töpfen zusammen.
Mehrere Armbrustbolzen und Pfeilspitzen aus diesem Bereich waren die ersten Hinweise auf ein gewaltsames Ende der Burg. Sechs kleine Münzen (darunter eine Fälschung) fanden sich an dieser Stelle, sie sind aber für die Datierung der Burg nur von geringem Wert.
Noch 1976 wurde mit der Freilegung des Torbereichs im Westen der Burg begonnen. Das 2,60 m breite Tor besaß ein in den Burghof zurückspringendes Torhaus, welches_zwei Meter hinter der Torschwelle eine deutliche Baufuge aufwies. Die Toranlage bestand demnach ursprünglich nur aus den beiden, um zwei Meter zurückgezogenen Mauerenden; erst nachträglich wurde Richtung Osten das eigentliche Torhaus angefügt, doch läßt sich diese Baumaßnahme nicht datieren. Die Erweiterung ist praktisch nicht fundamentiert, sondern einfach auf dem Felsgeröll aufgesetzt. Aus diesem Grund waren die beiden Zangenmauern des Torhauses sehr schlecht erhalten. Vom Portal konnte nur noch die aus großen, flachen Bruchsteinen bestehende Unterlage der Torschwelle vorgefunden werden, ferner der nördliche Torangelstein. Die Funde aus dem Torhausplanum, u.a. mehrere Armbrustbolzen und ein starkes Eisenmesser, erlauben keine näheren Aufschlüsse über das Gebäude. Spuren eines etwaigen zweiten Tores fanden sich nicht, sie könnten jedoch durch die starke Zerstörung des Torhauses verwischt worden sein.
1977/78 konnten die Reste der Toranlage konserviert werden, wobei die beiden Zangenmauern auf die Höhe der Ringmauer aufgemauert wurden, die nördliche Torzange aufgrund der erwähnten Zerstörung jedoch nicht in voller Länge.
1978 legte die Arbeitsgruppe einen in Südostrichtung verlau£enden Schnitt durch den Burghof an, wobei an dessen Südende Reste eines zweiten Fachwerkgebäudes angeschnitten wurden. In der Mitte des Hofes stieß man bereits ca. 50 cm unterhalb der heutigen Erdoberfläche auf den anstehenden Fels; eine Pflasterung des Burghofes existierte offenbar nicht.
Das Jahr 1979 stand ganz im Zeichen der Konservierungsarbeiten an der nordwestlichen Ringmauer, die, von der Nordwestecke ausgehend, auf zwölf Metern Länge restauriert wurde. Die Außenschale war hier wie überall nur in relativ geringer Höhe erhalten und mußte deshalb bis zur Höhe des Mauerkernes aufgemauert werden. Auch 1980 wurden acht lfdm Ringmauer konserviert, ausgehend von der Südwestecke des Torhauses. Die Mauer wurde hier ruinenmäßig abgeschlossen, wie dies 1979 erstmals praktiziert worden war.
Im gleichen Jahr wurde in der Südwestecke der Burg ein Planum angelegt, in dem sich schon in 60 cm Tiefe mehrere bearbeitete Sandsteine fanden. Es handelt sich dabei zumeist um Bruchstücke, von denen nur ein einziges als Teil eines größeren spitzbogigen Gewändes mit abgefaster Kante zu erkennen ist. Besondere Bedeutung besitzt der 90 Grad umschließende Teil eines rundbogigen Gewändes, das mit Sicherheit zu einem Fenster gehörte; der Rundbogen spricht eindeutig für den romanischen Baustil. Die Metallfunde waren in diesem Plenum außerordentlich zahlreich, es fanden sich neben den üblichen Armbrustbolzen mehrere Hufeisen (teilweise Bruchstücke), ein eisernes Spornrad, eine Gebißstange und das Bruchstück eines vergoldeten und verzierten Steigbügels. Ein eiserner Steigbügel und ein Pferdestriegel aus dem gleichen Metall waren bereits 1977 in diesem Bereich zutage gekommen. Weitere Funde waren zwei Spinnwirtel und ein kleines Messer mit Resten des hölzernen Schaftes.
Wichtig war vor allem eine kreisrunde Sandsteinkugel (ein Geschoß), die genau in der Südwestecke lag; 1978 war bereits ein einfacheres Exemplar gleichen Kalibers freigelegt worden. Zahlreich waren hier die Keramikscherben; allerdings fehlten hier Scherben von Topfkacheln und Ziegelbruch war in diesem Bereich auch nicht vorhanden.
Im Jahr 1981 wurde zunächst der Zwischenraum zwischen der Nordwestecke und dem Planum der Jahre 1976/77 (an der inneren Nordwestmauer) durch ein kleines Planum erschlossen. Hier traf man schon nach rund einem Meter auf den anstehenden Fels, während er östlich davon abrupt auf über zwei Meter Tiefe abfällt. Der einzige Rest der Bebauung war eine Lehmschicht in 60 cm Tiefe; die Funde waren hier recht spärlich. Die geringe Höhe des anstehenden Felsen und die wenigen Funde lassen darauf schließen, daß der Ostrand des Planums 1981 in etwa mit der Westkante des bereits 1975 aufgedeckten Fachwerkgebäudes übereinstimmt.
Im Frühjahr 1982 begannen die Arbeiten mit dem Anlegen eines neuen Planums an der inneren Südwestmauer, östlich des 1980 untersuchten Planums. Die Funde waren hier wiederum spärlich, neben Keramik üblicher Form (keine Topfkacheln!) ist ein fünfgliedriges Eisenkettchen bemerkenswert. Unterhalb des mittelalterlichen Lehmbodens direkt über dem anstehenden Fels, fand sich in rund zwei Meter Tiefe ein beinerner Steckkamm.
1983 wurde wiederum weiter östlich ein neues Planum angelegt, welches erneut keine näheren Gebäudereste erbrachte. Die wenigen Funde sind vor allem ein kleines Messer mit verziertem beinernen Griff und ein winziger beinerner Würfel. Unterhalb der eigentlichen Fundschicht befand sich fast schon im Verwitterungsgruß das Bruchstück einer Bronzeglocke, der erste Hinweis auf die Existenz einer Kapelle auf der Burg.
Östlich der Südecke wurde 1984 ein neues Planum abgesteckt, wobei man in Richtung des Planums aus dem vergangenen Jahr eine breite Berme stehen ließ, die in einigen Jahren als Südende eines Hügelschnittes dienen soll. Dieses Planum erbrachte alsbald die Reste eines zweiten abgebrannten Fachwerkgebäudes (das bereits 1978 angeschnitten worden war), Brandlehm und Ziegelbruch (Mönch-Nonne-Deckung). Es erwies sich in der Folgezeit als recht fundreich; vor allem die Zahl der hier zutage gekommenen Armbrustbolzen ist auffallend.
Die Konservierungsarbeiten des Jahres 1984 beschränkten sich auf Restarbeiten des Vorjahres und das kurze Stück zwischen Bergfried und Südostecke. Dabei stellte sich heraus, daß die nur 1,80 m starke östliche Ringmauer auf dem außenseitig 20 cm vorspringenden Sockel eines breiteren Mauerzuges ruht, der als Überrest einer älteren Ringmauer anzusehen ist. An der Südostecke war dagegen lediglich eine Mauerkante, und zwar die äußere vorhanden, auf der bei der Restaurierung die Ecke aufgemauert wurde.
Als 1985 der Ringmauerabschnitt zwischen Bergfried und Nordostecke konserviert wurde, zeigte sich das gleiche Bild: auch hier ruhte die jüngere Ringmauer auf dem breiteren Sockel der älteren. Die Reste der älteren Ringmauer waren in Richtung Nordostecke noch in zunehmender Höhe (bis zu 60 cm) erhalten, die Außenkante der jüngeren war auf dem Füllmauerwerk der älteren gegründet. Die ältere Ringmauer war demnach an der Ostseite vor der endgültigen Zerstörung der Burg bereits einmal zerstört worden, wobei nur die Südost- und Nordostecke in größerer Höhe erhalten geblieben waren. Zwischen diesen beiden Ecken war die ältere Ringmauer zum Teil bis auf Reste ihres Fundaments zerstört worden. Diese Grabungsergebnisse lassen folgenden, für die Baugeschichte der Burg wichtigen Schluß zu: die Ringmauer der Burg wurde an der Ostseite zu unbekannter Zeit zerstört, nur die dort sie begrenzenden beiden Ecken waren weniger in Mitleidenschaft gezogen worden. Zwischen den beiden Ecken wurde beim auf die Zerstörung folgenden Wiederaufbau ein bis zu 20 cm schwächerer Mauerzug aufgeführt, der an den beiden Ubergängen zu den erhaltenen Ecken deutlich zurück gesprungen sein muß. Entsprechend wurde das Mauerwerk auch restauriert: die beiden Ecken wurden auf den Resten der älteren Ringmauer hochgezogen, der jüngere Mauerzug ist dort auf der älteren fundamentiert. Die nur sockelhohen übrigen Reste der älteren Ringmauer blieben unrestauriert und wurden wieder mit Erde verfüllt, um die Zerstörung durch unvernünftige Zeitgenossen zu verhindern.
Vor den Trümmern der beiden Ringmauern an der Ostseite fanden sich im Schutt öfters Bruchstücke von Flachziegeln, die von einem gedeckten Wehrgang auf der Ringmauer stammen könnten. Unterdessen wurden die Arbeiten im 1984 angelegten Planum weitergeführt, erst 2,20 m unterhalb des heutiges Hofniveaus traf man hier auf den anstehenden Fels. In diesem Planum „klebten“ mehrfach Brandlehmbrocken, an der Ringmauer; das einst hier befindliche Fachwerkgebäude muß demnach unmittelbar an die Ringmauer angelehnt gewesen sein. Hier ließ sich auch erstmals eine grobe Schichtung des Mauerwerks der Ringmauer-Innenkante feststellen, an den zuvor konservierten Mauerzügen waren die Bruchsteine völlig wahllos vermauert worden. Nur wenig über den anstehenden Fels fand sich in diesem Planum nochmals eine Lehmschicht mit spärlicher Keramik und einem Armbrustbolzen. Nachdem der anstehende Fels erreicht war, wurde östlich anschließend ein neues Planum angelegt. Direkt unter der Humusschicht kamen einige bemerkenswerte Funde zutage, nämlich eine weitere Sandsteinkugel (von kugelrunder Form wie das Exemplar von 1980), die beiden vergoldeten und mit einem Rautenmuster verzierten Beschläge eines Gürtels, die eiserne Verstärkung einer Schwert- oder Dolchscheide sowie der abgebrochene Fuß eines Bronzegefäßes; ferner in großem Umfang Keramik und Knochen. Die weitere Untersuchung dieses Planums ist für 1986 vorgesehen, die Qualität der Funde läßt jedoch schon heute die Vermutung zu, daß hier das Hauptgebäude der Burg zu erwarten ist.
Erkenntnisse aus den Grabungsergebnissen:
Trotz zehnjähriger Tätigkeit ermöglichen die Ergebnisse der Arbeit nur zu einem sehr kleinen Teil Aussagen zur Geschichte und Baugeschichte der Burg auf dem Schnellerts. Die zahlreichen Brandspuren beweisen die Zerstörung der Burg durch Feuer, die große Anzahl an Armbrustbolzen (etwa 60) überdies den gewaltsamen Charakter der Zerstörung. Von größtem Wert sind die drei Sandsteinkugeln, ehemalige Geschosse, deren Existenz nur mit einer der Zerstörung vorausgehenden Belagerung erklärt werden kann. Ihrer Größe nach scheinen die Kugeln (wenigstens die beiden vollrunden) aus der Steinbüchse des Pfalzgrafen Ruprecht zu stammen, die auch 1399 bei der Belagerung der Burg Tannenberg zum Einsatz kam. Damit wäre die Zerstörung der Burg auf dem Schnellerts mit Sicherheit ins Ende des 14. Jahrhunderts zu datieren (1400 wurde Ruprecht zum deutschen König gewählt).
Datierbare Kleinfunde sind nur in Form der fünf, teilweise nur als Fragmente erhaltenen Silberheller vorhanden, die zwischen dem Anfang und dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts geprägt wurden (siehe Schnellertsbericht 1977). Aufgrund ihrer langen Geltungsdauer beweisen sie freilich nicht zwingend die mögliche Existenz der Schnellertsburg zu Anfang des 13. Jahrhunderts.
Von größerem Wert ist der 1980 freigelegte Bogenstein eines einfachen rundbogigen Gewändes, der nur romanischen Ursprungs sein kann. Ein ähnlicher Abschlußstein befindet sich in der “Haal“ in Ober-Kainsbach (siehe SB 1976) und soll nach glaubhafter Überlieferung vom Schnellerts stammen (seine Jahreszahl 1582 bezieht sich wohl auf das Jahr, in dem er in der Haal sekundär vermauert wurde). Der gotische Spitzbogen trat in unserem Gebiet ab etwa 1235 auf, möglicherweise hat sich jedoch der romanische Rundbogen noch kurze Zeit halten können, bevor er völlig verdrängt wurde. Der rundbogige Stein beweist deshalb die Erbauung der Burg vor etwa 1240, eine Untergrenze kann dagegen nicht angegeben werden.
Nach dem Befund an der Ostseite wurde die Ringmauer dort, zu nicht bestimmbarer Zeit, größtenteils auf voller Höhe zerstört und später auf leicht verändertem Grundriß wieder aufgebaut. Diese Zerstörung muß gewaltsamer Art gewesen_sein, da ähnliche Störungen an anderen Stellen der Ringmauer bisher nicht festgestellt werden konnten. Außerdem handelt es sich gerade bei der Ostseite um die potentielle Angriffsseite, fällt doch dort der Berghang am wenigsten steil ab.
Die Burg auf dem Sehnellerts war also vor ihrer endgültigen Zerstörung Ende des 14. Jahrhunderts schon einmal gewaltsam erobert worden, was zu starken Zerstörungen an der Ostseite geführt hatte. Beim anschließenden Wiederaufbau der dortigen Ringmauer scheint auch der Bergfried erbaut worden zu sein, mit seinem Durchmesser von nur 6,45 m wäre er für die Gründungszeit (vor 1240) ungewöhnlich schlank gewesen. In den kommenden Jahren soll dieser Vermutung nachgegangen werden.
Auch das Torhaus an der Westseite ist eine spätere Ergänzung, es wurde zu unbekannter Zeit an das alte, nur aus zurückgezogenen Mauerenden gebildete Tor angefügt.
Zusammenfassend läßt sich mit dem derzeitigen Forschungsstand folgendes sagen:
Die Burg auf dem Schnellerts wurde unbestimmte Zeit vor 1240 erbaut. Zu unbekannter Zeit erfolgte eine Eroberung, der die Zerstörung der Ringmauer an den Angriffsseite vorausgegangen war oder folgte. Für eine Zerstörung der gesamten Anlage gibt es dagegen keine Anzeichen.
Der Zerstörung folgte die Wiederherstellung der Ringmauer, wahrscheinlich die Erbauung des runden Bergfriedes und vielleicht auch des Torhauses.
In den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts wurde die Burg vollständig und endgültig zerstört, nachdem sie belagert und erobert worden war. Die aufgefundenen Geschützkugeln lassen dabei auf eine maßgebliche pfälzische Beteiligung schließen. Nach der Eroberung erfolgte die Zerstörung durch Feuer und offenbar dazu noch die Schleifung der Ruine; anders ist es nämlich nicht zu erklären, daß bis Mitte des 19. Jahrhunderts nur ein großer Schutthügel auf dem Schnellerts vorhanden war.
Comments by Thomas Steinmetz