Ganz von selbst führten die Erwägungen zur Geschichte der sagenüberwucherten und immer noch rätselvollen Burg auf dem Schnellerts in die Probleme ihrer Einbettung in die mittelalterliche Territorialgeschichte. (vgl. Schnellerts-Bericht 1978). Rückgrat dieser aber ist hier wie vielerorts die Entwicklung der Rechtsorganisation gewesen. Mit anderen Worten: Man wird auf die einstige Zent Kirch-Brombach hingestoßen, innerhalb derer ja die Schnellertsburg, wie immer sie geheißen haben mag, unzweifelhaft gelegen war. Es scheint, als sei gerade diese Zent in der landesgeschichtlichen Forschung der letzten Jahrhunderte vergleichsweise etwas stiefmütterlich behandelt worden. Sie hat ja auch kein besonders markantes, größeres Siedlungszentrum aufzuweisen und auch nicht, wie etwa die breubergische Zent Lützelbach, den namengebenden Stammsitz einer alten Herrenfamilie. Sie besitzt auch keine früh oder hochmittelalterlichen Baudenkmäler von kunstgeschichtlichem Wert, keine aufrecht stehenden Schlösser, Kirchen, Klöster oder Kapellen aus dieser Zeit. Ihr, alle Zentorte umfassender, einziger Pfarrsprengel tritt erstmals erst 1387 durch die Nennung eines Pfarrers in Brambach urkundlich in Erscheinung. Der älteste Teil der dortigen Pfarrkirche, der Chor, dürfte zeitlich auch kaum früher eher später anzusetzen sein. Der Turm gehört ins 15., das Kirchenschiff gar erst ins 18. Jahrhundert.
Dabei sind sich aber alle Forscher darin einig, daß dieses Kirchspiel mit seiner Pfarrei sehr alt und seine Gründung mit der Einrichtung der gesonderten Zent etwa gleichzeitig erfolgt sein müsse. Ebenso einig ist man sich darin, daß unsere Zent Kirch-Brombach zur Schenkung der königlichen Mark Umstadt durch König Pippin im Jahre 766 an das Reichskloster Fulda gehört hat und dadurch auch nach dem Immunitätsprivileg Karls d. Gr. von 775 als „Munitat“, d. h. als vor der Amtsgewalt der Gaugrafen abgesichertes Gebiet, gerechnet wurde. So deutet man auch mit Recht die Beschreibung der Michelstädter Markgrenze von 819 dahingehend, daß deren Berührung mit der späteren Zent Kirchbrombach durch den Branbach gebildet wurde, der die spätere Begleitsiedlung in Langen-Brombach breuberger- und fürstenauerseits teilte. Jenseits der Mümling, unweit des Ebertsgrabens, wird darin die oft zitierte Grenzeiche genannt, und zwar als „in Grascapht et Munitat“ stehend, also als Trennungsmarke des fuldischen Immunitätsgebietes vom Grafschaftsbereich. Der nach 775 erfolgte Siedlungsausbau der nunmehr fuldischen Mark Umstadt läßt sich durch die Errichtung neuer Pfarreien ungefähr verfolgen. Bis 985 sollen drei Kirchen zur alten Mutterkirche St. Peter in (Gr. -)Umstadt hinzugekommen sein: St. Gallus in Lengfeld, St. Johannes in Sandbach und St. Michael in Groß-Bieberau. (vgl. B. Demandt: die ma. Kirchenorganisation in Hessen südl. d. Mains, 1966, S. 40 ff). Die der vorletzt genannten Sandbacher Pfarrei zugeordnete Verwaltungseinheit dürfte die ursprüngliche Großzent Höchst gewesen sein, wo sich, am Platz des späteren Augustinerinnenklosters (gegründet um 1200) ein zu Umstadt gehöriger alter Königshof erschließen läßt. Aus dieser Großzent Höchst, muß dann der südliche, den Höhenbereich zwischen Mümling und Gersprenz ausfüllende, Gebietszipfel ausgegliedert worden sein.
Er erhielt seinen neuen, eigenen kirchlichen und gerichtlichen Mittelpunkt auf einem Sattel des nach Osten ziehenden Ausläufers der nordsüdlich orientierten Böllsteiner Höhe, zwischen dem Tal des Branbachs und der Kinzig, eben in der seit 1461 unter diesem Namen bezeugten Siedlung „Kirch-Brombach“. Über diese fünfte, aus Umstadt hervorgegangene Pfarrkirche schreibt B. Demandt (s.o.):
„Ihr Patrozinium St. Alban entstammt wahrscheinlich der im 11. Jhdt. wieder zunehmenden Albanverehrung, womit ein Hinweis auf die Zeit der Errichtung der Kirche gegeben wäre. „
Leider ist uns, soweit wir wissen, von dieser alten Kirche kein Stein mehr erhalten. Dafür, daß wir mit ihrer Baudatierung tatsächlich bis ins 11. Jhdt. zurückgehen müssen, gibt es einen indirekten Beweis. In nächster nachbarschaftlicher Entfernung von Kirchbrombach finden wir noch heute wesentliche Baureste zweier früher Kleinkirchen, die sicherlich mit ihrem Einzugsbereich auch in die „Munitat“ hinübergegriffen hätten, wenn die Brombacher Kirche nicht bereits bestanden hätte: Rehbach ist 1113 mit einer „ecclesia“, d.h. Pfarrkirche, bezeugt und die heutige Friedhofskapelle von Bad König kann in ihrem ältesten Baubestand schwerlich später als ins 11. Jhdt. datiert werden. St. Alban in Brambach muß also älter als diese beiden Nachbarkirchen gewesen sein. Bereits in diese Zeit wäre dann auch die Ausbildung der gesonderten Verwaltungs- und Gerichtseinheit, der Zent, zu setzen. Zeitvergleich: Im 11. Jhdt. gab es noch weder eine Herrschaft Erbach noch eine Herrschaft Breuberg. Der fuldische, früher königliche Hof in Höchst und das durch Abt Gerbodo von Lorsch um 950 errichtete Steinhaus in der Burg Michelstadt dürften die maßgebenden Sitze geistlicher Herrschaft in der Umgegend gewesen sein. Wenn wir nach einer landesansässigen weltlichen Gewalt in dieser Zeit fragen, werden wir ausschließlich auf das damals sicher schon allodiale Kerngebiet der späteren Herrschaft Crumbach verwiesen.
Besonders eigenartig ist es, daß diese Kirchspiel- und Zenteinheit im Jahre 1012 durch eine bedeutsame Macht- und Besitzgrenze zerschnitten wurde: Als Kaiser Heinrich II. in diesem Jahr dem Kloster Lorsch einen großen Wildbann ( besser wohl „Waldbann“) im Odenwald schenkte, griff dessen Grenzziehung im Norden über die alte Einhards-Mark Michelstadt hinaus und zerteilte in der Folge die Brombacher Zent. Der Beschreibung gemäß zog diese Grenze vom Westen her über „Gaspenza“ (die Gersprenz) „in Abbatisbach“ (in den „Abtsbach“ hinein) – alles nach dem Lorscher Codex (CL 93) ! – in diesem möchte man den Lohbach im nördlichen Gemarkungsteil von Kirch-Beerfurth sehen, weil dort mit dem „Lohhof“ bis 1551 das fuldisch-breubergische Territorium und damit die Zent Brombach endete. Dann zog die Wildbanngrenze „ultra Cuningesbach in Birkunhart“. Unter letzterem versteht man allgemein den Nord-Süd-Zug der Böllsteiner Höhe mit der, schon vorgeschichtlichen, „Hohen Straße“. Es scheint nun, mit dem „ultra“ (= jenseits) „Cuningesbach“ sei gemeint, die Grenze habe die ganze Ober-Kainsbacher Waldgemarkung bis oben an den Eckweg auf dem Morsberg ausgespart, d.h. respektiert, und sei dann nördlich des Wünschbach über die Böllsteiner Höhe bis in die Gegend des Tannenkopfes gezogen, von wo sie ostwärts über die „Kincicha“ zur Mümling hinabführte.
Außerhalb blieben so – abgesehen von Gumpersberg und wohl auch Ober-Kinzig – nur die westlichen Taldörfer und Weiler: Gersprenz, Ober-Kainsbach, Stierbach, Affhöllerbach, Kilsbach, Wallbach und vielleicht auch noch der verschollene „Hof Wallbach“, der möglicherweise mit dem gelegentlich genannten Zentort „Hauckstein“ identisch war. Ostwärts der Mümling kamen damals die Gemarkungen von (Bad)König, Fürstengrund, Kimbach, auch Eschern, Hainhaus und Bremhof mit Vielbrunn unter diese Lorscher Forsthoheit, die sicher den Ansatz zu territorialem Besitzgewinn, etwa durch Neurodungen, ermöglichte.
Könnte man da nicht meinen, erst jetzt habe Fulda solchen Bestrebungen dadurch einen Riegel vorgeschoben, daß es diesen ganzen Umstädter Südzipfel als eigene Zent um eine eigene Pfarrkirche organisierte und durch Verlehnung an ein ihm genehmes Adelsgeschlecht einigermaßen an seinen Altbesitzer zu ketten versucht hat? Und wieder werden wir für diese Zeit auf die freie Gersprenztal-Herrschaft Fränkisch-Crumbach hingewiesen, wer immer sie damals auch inngehabt haben mag.
Wo aber in salischer und erst recht in nachfolgender staufischer Zeit Familien des Hohen Adels größere Lehnskomplexe aus geistlicher Hand übernahmen, da gaben sie alsbald vieles von ihren Besitzrechten und Herrschaftsfunktionen an ihre niederadeligen Dienstmannen als Afterlehen weiter. Auch diese Lehen wurden sehr bald erblich und lassen sich darin oftmals bis in die Neuzeit hinein verfolgen.
Und hier stoßen wir auf eine zweite Merkwürdigkeit der Brombacher Zent. Ein sehr großer, wenn nicht gar der überwiegende Teil aller dieser Rechte und Besitzungen innerhalb der Zent tritt uns im späten Mittelalter als Lehen dieser Ministerialenschicht – und zwar von ihrer Zentherrschaft her – vor Augen.
Wir haben die schwer durchschaubaren Verwandtschaftsverhältnisse dieser Familien im SB 76 genauer zu betrachten versucht. Es sind vom 14. bis 16. Jhdt. vor allem zwei Gruppen: Die „mit den drei Ringen“ und die „mit der Gans“ im Wappen. Also einmal die „Duborn/Starkerad“, die „Echter“ und die „v. Brensbach“ mit ihren Lehenserben, zum zweiten die „v. Erlebach“, „Gans v. Werde“ und Gans v. Otzberg“. Erstere entstammen wohl dem_Brensbacher Raum, letztere sind anscheinend durch Heiratsverbindungen vom Maintal hierher in den Odenwald gezogen worden. Als Verbindungsglieder oder Nachfolgegeschlechter haben offenbar die „v. Hochhausen“ und die „Bache“ („v. Waschenbach“ und „v. Nuwenstadt“) eine gewisse Rolle gespielt.
Man kann sich schon anhand von Müllers „Ortsnamenbuch von Starkenburg“ über die Besitzverhältnisse einigermaßen informieren. Dabei fällt aber noch etwas auf: Zu ihren – in den genannten Jahrhunderten durchweg herrschaftlich breubergischen – Lehen aus der Hand der Grafen v. Wertheim gehört in ihren Dörfern neben Grundbesitz, zinspflichtigen Höfen und Untergerichtsbarkeit (Vogtei) vielfach auch der Zehnte, ganz oder teilweise! Das aber war ursprünglich eine Kirchensteuer, die der für die bauliche Erhaltung des Gotteshauses und die Unterhaltung der dort tätigen Geistlichen zuständige Herr als Schirmer und Schützer der Pfarrei einziehen konnte, mit welchemRecht er wiederum von höherer Stelle aus belehnt werden konnte – in unsererm Falle natürlich durch die Reichsabtei Fulda – und dessen Einnahmen er seinerseits seinen jeweiligen örtlichen Ministerialen weiterverleihen konnte. Meist besaß der oberste Zehntherr auch das Patronat, pflegte es als „Kollatur“ oder Präsentationsrecht (Recht der Pfarrbesetzung bzw. Mitbeteiligung daran durch Vorschlag) aber gleichfalls häufig als Lehen weiterzugeben.
Im Zent-Hauptort Kirchbrombach waren im 14. Jhdt. die Erben Herrn Gerlachs v. Breuberg im fuldischen Lehnsbesitz der Zent, sowie des Patronats der Kirche, was sich gerade im Verlauf dieses Jahrhunderts durch die Doppelbesitzerschaft von Wertheim und Eppstein (als Erben Gerlachs v. Breuberg) erweist. Von den gleichen Teilerben der Herrschaft Breuberg gingen aber auch alle niederadeligen Besitzanteile am Zehnten zu Lehen. Also müßte auch der Zehnte des kirchlichen Mittelpunkts selber, von Kirch-Brombach, den gleichen Erben der Herrschaft Breuberg gehört haben. Das aber ist bisher noch nicht zu beweisen.
Denn dieser Zehnte in Kirch-Brombach wurde erst 1452 von Ida II. Schenk v. Erbach, Meisterin des Klosters Höchst, für 400 Gulden gekauft und ihrem Kloster zugebracht. Leider können wir bisher nirgends eine Angabe darüber finden, von wem sie wohl damals noch dieses (territorialgeschichtlich äußerst wichtige) Recht eigentlich kaufen konnte. Weder Wertheim-Breuberg noch Erbach (als damaliger örtlicher Rechtsnachfolger von Eppstein-Breuberg) hätten es wohl so ohne weiteres aus der Hand gegeben. Gehörte dieser wichtige Zehnte etwa damals noch dem Kloster Fulda selbst? Oder einem letzten Erben jener Familie, die hier zur Zeit der Kirchengründung die „Herrschaft“ ausgeübt hatte, also einem „Crumbacher“? Oder befand er sich gar in der Hand der Pfarrei selbst, die zufällig gerade dringend Geld brauchte? Für Bauzwecke? In diesem Zusammenhange wäre es dringend erwünscht, wenn jemand einmal die merkwürdige Klage eines Nikolaus Spieß aus Brensbach vor dem Femegericht in Brakel im Jahre 1461 näher unter die Lupe nehmen würde. Hier ist das aus räumlichen Gründen leider nicht möglich. Diese Klage, bei der als Zeuge auch der Zentgraf von Höchst vorgeladen wurde, richtete sich gegen die beiden damaligen herrschaftlichen, Kirchenmeister – also Vermögensverwalter – von Kirch-Brombach. Nur ist dem Verfasser dieser Zeilen nach seinen bisherigen Unterlagen der eigentliche Klage- oder Streitpunkt völlig rätselhaft geblieben. Aus der Luft gegriffen dürfte er nicht gewesen sein. Aber peinliche Dinge erörterte man in Urkunden möglichst überhaupt nicht. Mehr Klarheit wäre wünschenswert.
Eine weitere sonderbare Sache ist die pfälzische Enklave innerhalb der Zent im Grenzbereich zur Zent Höchst, d. h. die Dörfer Nieder-Kinzig mit Pfälzer Höfen, Mittel-Kinzig und Birkert habitzheimerseits. Daß sie ursprünglich zur Zent Brombach gehörten und nur durch den Machtanspruch der Kurpfalz, die auch über ihre Vogteiorte die volle, d. h. auch die hohe Gerichtsbarkeit und Territorialherrschaft forderte und durchsetzte, jedenfalls im 18. Jhdt.‚ nicht mehr zum Zentbereich gerechnet wurden (vgl. Atlas Ley von 1757), ist bekannt. Es wäre möglich, wie es der Verfasser unlängst vermutet hat (in „Der Odenwald“ 1979, Heft 1,S.10), daß im Jahre 1230 der betagte Erzbischof Siegfried II. von Mainz (aus dem Hause Eppstein) bei einem Treffen in Rüdesheim dem damaligen Pfalzgrafen Ludwig I., Herzog von Bayern, gewisse territoriale Zugeständnisse aus Lorscher oder fuldischem Besitz hier am Fuße des Eichels (vielleicht der „collis quircinus“ einer Urkunde von 1247) in Verbindung mit zwei pfälzischen Burgsitzen auf Otzberg gemacht hat. Siegfried verwaltete zu dieser Zeit beide Abteien: Lorsch und Fulda.
Nieder-Kinzig muß ursprünglich auch unter diese pfälzischen Sonderorte gehört haben. Den wesentlichen Lehensbesitz dort hatten die Mosbach v. Lindenfels inne, im 15. Jhdt. als Lehen von Kurpfalz . Das war aber nach dem Ankauf der halben fuldischen Mark Umstadt i. J. 1390 seitens der Pfalzgrafen. Sie vergaben auch dieses Mosbacher Lehen von der Herrschaft Habitzheim aus, die sie mit dieser Hälfte, dem Amt Otzberg, erworben hatten. Als sie Habitzheim mit Zubehör größtenteils an ihre Verwandten, die ebenfalls wittelsbachischen Grafen v. Löwenstein verkauften, kam bis 1717 auch der verlehnte Teil von Nieder-Kinzig von den Mosbachischen Erben an die Löwensteiner. Nun waren diese seit dem 17. Jahrhundert neben den Grafen v. Erbach Mitherren von Breuberg geworden. Deshalb schlugen sie 1721 das nunmehr ihnen gehörige Nieder-Kinzig der Gemeinherrschaft Breuberg zu, wohin es ja historisch auch gehörte.
So rechnete es Joh. Adam Ley 1757 auch wieder zur Zent Kirch-Brombach. In den gleichen Zusammenhang muß auch, mindestens zeitweilig, das halbe Dorf Birkert gehört haben. Sonst hätte man es nicht „habitzheimerseits“ genannt. Dieser Besitz blieb allerdings bei der Pfalz. Noch anders wieder sieht es mit der sogenannten „Hübnergasse“ in Mittel-Kinzig aus: Neben dem langen Streifen pfälzischen Besitzes, der bis Hochwallbach hinaufreicht, liegen nach der Karte von Ley zwei etwas schmälere, aber fast ebenso lange, querüber das Tal ziehende Streifen, die damals als (1757!) breubergische und echterische Huben bezeichnet wurden. Sie stoßen im Westen bis an den Tannenkopf, eine bewaldete Anhöhe mit Felsgruppen, auf der gewisse Bodenerhebungen eigentlich den Eindruck machen, als sei dort irgendwann einmal irgendetwas gewesen. Mangels jeglicher Kenntnis läßt sich aber auch keine Vermutung aufstellen. Aber nochmals zu den beiden „Huben“, die – wohlgemerkt – 1757 nicht zur pfälzischen Enklave gehörten, also älter sein müssen als deren Ausgliederung aus der Zent, demnach vor 1230 schon bestanden haben dürften.
Solche Langstreifen-Huben sind aber das fast klassische Beispiel Lorscher Spätrodung, man denke an Mossau, Gammelsbach, Würzberg. Man datiert sie in die letzte, meist schon vom Adel durchgeführte Spätzeit der Odenwaldbesiedlung, so um plus-minus 1100. Sollten wir hier ein Zeugnis für die Ausnutzung der Lorscher Wildbannrechte nach 1012 vor uns haben, bei dem der örtliche Adel beteiligt wurde, das Hauptstück aber sich einer der damals amtierenden Lorscher Hochvögte, der Grafen von Hohenberg-Lindenfels, als Vogteianteil behielt und über die verschiedenen Amtsnachfolger bis auf die Wittelsbacher Pfalzgrafen vererbt hatte? Angesichts der 1230 bevorstehenden Aufhebung und Aufteilung des Lorscher Besitzes konnte das sehr wohl der Gegenstand einer Vereinbarung zwischen Mainz und Pfalz gewesen sein. Nur: In die letzten Jahrzehnte der Abtei Lorsch dürfen wir diese Hubenrodung sicher nicht setzen. 1150 dürfte der spätestmögliche Zeitpunkt sein. Und damals gab es noch weder eine Herrschaft Breuberg noch vermutlich eine Familie, die sich „Echter“ nannte. Aber natürlich deren Besitzvorfahren im Alt-Brombacher Herrschaftsbereich.
So kommen wir zur letzten Frage: Was war eigentlich mit der Burg (lat. „castrum“) in Kirch-Brombach? Zweimal nur wird sie urkundlich erwähnt: 1329 im Zusammenhang mit ihrer fuldischen Lehnsvererbung an die Erbtöchter Eberhards II. v. Breuberg, Enkelinnen Gerlachs. Das waren Elisabeth v. Wertheim und Luckardis v. Eppstein, verw. v. Weinsberg. Sodann 1368, als Eberhard v. Eppstein als Mitbesitzer dieses Teils von Breuberg auch sein castrum Brombach der Stadt Frankfurt öffnet. Kein Zweifel besteht, daß diese Burg den Platz der Kirche umschlossen hat und daß ihre eigentlichen Gebäude vermutlich auf den Fundamenten des heutigen Meisinger Hofes gestanden haben müssen. Was mag älter gewesen sein: Die Burg oder die Kirche? Gäbe es irgendein Indiz dafür, daß die Kirche aus einer Burgkapelle zur Pfarrkirche erhöht wurde, könnte man u. U. mit einer älteren, dann aber gewiß schon karolingischen oder ottonischen Burganlage rechnen. So ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht. Man vergleiche die Verhältnisse in Habitzheim, wie sie uns unlängst durch W. Wackerfuß etwas deutlicher gemacht worden sind (in „Der Odenwald“,1978, Heft 3, S. 75 ff. ). Natürlich kann aber auch die Kirche nachträglich von einem Mauerring umschlossen worden sein, in den auch der danebengelegene Herrenhof mit einbezogen wurde. Allzu großartig brauchen wir uns das Ganze nicht vorzustellen. Von adligen Burgmannen ist in Kirch-Brombach nichts bekannt.
Daß das Zentgericht unter einer Linde vor der Kirche gehegt wurde, spricht für eine ziemlich gleichzeitige Anlage, wie das auch dem Übereinstimmungs – Befund von Kirchensprengel und Zentbereich entnommen werden kann. Es mag also von Anfang an eine Art Wehrkirche mit angeschlossenem Herrschaftssitz gewesen sein. Alles beides scheint um 1400 restlos abgebaut (oder zerstört?) worden zu sein. Danach wurde die Kirche am alten Platz durch die Patronatsinhaber, die Grafen v. Wertheim und die Schenken v. Erbach, die den eppsteinischen Anteil erheiratet hatten, neu aufgebaut, d.h. der Chor kann dieser Zeit noch entstammen. Die Wehranlagen wurden nicht mehr erneuert. So ist dieser alte, wehrhafte Zentmittelpunkt heute fast unerkennbar geworden.
Das dürfte noch um 1250 etwas anders ausgesehen haben. Wir möchten an dem im SB 78 geäußerten Gedanken festhalten, daß die ganze Zent Brombach erst Ende des 13. Jhdts. durch Heirat mit einer Crumbacherin an Gerlach v. Breuberg gekommen ist – nicht an seinen Bruder Arrois! Es hat sich, soweit dem Verfasser bekannt, bisher auch keine Gegenstimme zu diesen seinen Vermutungen erhoben.
Wir können als gesichert ansehen – das entspricht auch der Auffassung von E. Kleberger (Territorialgeschichte d. hint. Odenwaldes, 1958) -, daß um oder bald nach 1200 der Hauptteil der Herrschaft Crumbach, soweit sie innerhalb des Lorscher Wildbannbereichs lag, allodial an die Schenken v. Erbach gekommen ist, mit dem Reichenberg und Kirch-Beerfurth. Ausgenommen blieben nur die Rodensteinischen Anteile in Kl.Gumpen usw. Dabei scheint sich grundbesitzmäßig auch der obere Teil von Ober-Kainsbach, vielleicht mit Ober-Gersprenz, befunden zu haben, sowie gewisse Teile der Waldgebiete bis halb Ober-Mossau (der spätere „Reichenberger Forst”). Die Errichtung der Johanniter-Kommende Mossau sowie zeitweise Auftragung an Mainz wären sonst ohne pfälzische Genehmigung nicht möglich gewesen. Ab 1307/11 freilich mußten sich die Erbacher der pfälzischen Gewalt beugen und das alles von Pfalz zu Lehen nehmen. Als sie dann Ober-Kainsbach, das zeitweise nach Mossau pfarrte, vom Orden zurückkauften, besaßen sie es anscheinend bis zum Reichenberger Vertrag von 1551 wiederum als Allod. Als sie aber damals gegen Wegtausch ihrer pfalzlehnbaren Besitzungen in Kimbach und Langen-Brombach die neu gebackene Zent Ober-Kainsbach (mit beiden Gersprenz) von der breubergischen Zent Kirch-Brombach loslösten, mußten sie diese ganze neue Zent sofort wieder an Pfalz auftragen.
In der Zent Höchst, wo die Crumbacher seit etwa 1200 als Mitstifter und pfälzische Lehnsvögte des eigentlich von Otzberg aus gegründeten Frauenklosters in Erscheinung traten, konnten schon im Laufe des 13. Jahrhunderts die Edelfreien „Reiz v. Lützelbach“ ( ab 1220 Herren von Breuberg) allmählich, auf die von Fulda lehnbare Zenthoheit gestützt, die Vorherrschaft gewinnen.
Der Abfall der Zent Kirch-Brombach aber ist wohl erst in die Jahre vor etwa 1280 anzusetzen. Zu ihm dürfte noch mehr gehört haben: Wir denken an die Vogtei (hier=Niedergerichtshoheit) und Grundherrschaft über die katzenelnbogischen Orte Wersau und Bierbach. Hier ist eine crumbachische Vorbesitzerschaft so gut wie sicher. Erwägenswert ist diese Frage aber auch für die breubergischen Besitzungen am Main – oder doch für Teile davon – in Alt-Erlenbach (später Wörth)‚ Trennfurt und in Schmachtenberg und Grubingen jenseits des Stromes. Nicht nur saßen dort die typischen Kirch-Brombacher Lehnsmannenfamilien, die „Starkerad“, die „Erlebach“ und die ”Gans“ auf ihren breubergischen Lehnshöfen, sondern es gibt auch Hinweise auf alte Rechte der Herren von Crumbach, z.B. 1220 in Röllbach. Und warum zog dann viel später der Rodensteiner mit seinem Geisterheer ausgerechnet auch durch den Galgen von Wörth? Gegenargument: An Wersau war auch Gerlachs Bruder Arrois beteiligt. Er verkaufte nämlich seinen Anteil 1314 an seinen Neffen Eberhard II. Und beim Verkauf von Schmachtenberg 1299 an den Deutschen Orden tritt er gemeinsamerhand mit seinem älteren Bruder Gerlach, dessen Frau Luckardis und deren beider Sohn Eberhard auf; er war also möglicherweise besitzbeteiligt, sicher allerdings erbberechtigt. Trotzdem bleibt die Sache erwägenswert. Es wurde schon im SB 78 darauf hingewiesen, daß es bei den alten Herren Reitz v. Lützelbach/Breuberg anscheinend – anders als bei den Erbachern – üblich war, angeheirateten Besitz in künftige Teilung einzubringen. Das scheint beim Zustandekommen der Herrschaft Frankenstein eine Rolle gespielt zu haben. Und ähnlich kann es durchaus bei dem großen Zugewinn aus der – angenommenen – crumbachischen Heirat Gerlachs von Breuberg gewesen sein. Arrois und seine Erben wurden gerade an den Mainbesitzungen und in der Herrschaft Ortenberg bevorzugt beteiligt. Er erhielt aber andererseits nichts vom Verkauf des halben Schlosses Erbach mit Zubehör durch Gerhard III. v. Erbach an Gerlach v. Breuberg. Sonst hätte er nicht bei späteren Streitigkeiten darüber im Jahre 1303 als unbeteiligter Schiedsrichter fungieren können. Solcher Brauch innerfamiliärer Regelungen kann natürlich für uns Heutige das Gesamtbild außerordentlich undurchsichtig machen. Und man sollte sich hüten, eine auch noch so schöne Arbeitshypothese als erwiesene Tatsache hinzustellen. Aber man darf und muß wohl sogar gelegentlich auf derartigen gedanklichen Alternativwegen sich weitertasten.
Daß dabei ein u. U. von der bisherigen, gängigen Auffassung etwas abweichendes Bild vom allgemeinen Geschichtsverlauf in unserem Odenwald mindestens einmal in die Diskussion eingeführt wird, kann wohl kaum als ein Sakrileg angesehen werden.
Aus solcher Sicht nun meinen wir, alles das aufrechterhalten zu können, was über den Schnellerts in den letzten Schnellertsberichten gesagt worden ist. Rätselhaft bleibt, warum im Reichenberger Vertrag von 1551 der sicher zum breubergischen Unter-Oberkainsbach gehörige Burgkopf nicht an Erbach getauscht wurde, sondern bei der Gemeinherrschaft Breuberg belassen wurde.Das uns bekannte Absteinungs-Protokoll von 1555 sagt uns seltsamerweise darüber gar nichts. Ein Grund könnte sein, daß damals dieser Wald Schnellerts mit den Burgtrümmern über eine Lehnserbfolge v. Erlenbach – Bach v. Waschenbach etwa an eine uns noch unbekannte Familie gekommen war, deren Lehnsverhältnisse zu lösen oder umzulegen vielleicht 1551 noch nicht möglich war. Oder aber, diesem Schnellertskomplex stand im Kimbacher Bereich nichts Gleichwertiges gegenüber.
Comments by Wolfram Becher