Im Denkmalschutzjahr 1975 erhielt die „Interessengemeinschaft Schnellerts“ vom Landesamt für Denkmalpflege die Erlaubnis, Sicherungsarbeiten auf der Burgruine Schnellerts durchzuführen. Die Auflage lautete: alles freigelegte Mauerwerk ist zu konservieren.
Die Arbeiten konzentrierten sich zunächst auf die Reste des Bergfrieds, dessen Innen-und Außenmauer noch bis ca 1 m Höhe erhalten war. Im Bereich der inneren Nordwestmauer wurde ein Planum (Grabungsfläche) angelegt, wo neben hochmittelalterlicher Keramik auch eine Münze gefunden wurde. Der kleine Silberheller wurde von Dr. Heß, Marburg, in die Zeit von 1225 bis 1250 datiert. Dies ist die erste faßbare Zeitbestimmung für die Burg Schnellerts.
Im Jahre 1976 wurde das Planum innere Nordwestmauer erweitert und ein neues Planum im Bereich der Toranlage angelegt. Ein ehemals an die Nordwestmauer gebautes Fachwerkhaus konnte stratigraphisch (Schichtenabfolge) gefaßt werden. Der u. a. gefundene Spinnwirtel erbrachte den Beweis für das Leben und Arbeiten von Frauen auf der Burg.
Die Unterlage der Torschwelle, ein Torangelstein und etwa die Hälfte der Torhausfundamente wurden im neuen Planum aufgedeckt. Der nördliche Teil der Toranlage wurde noch im gleichen Jahr konserviert und vorsichtig ergänzt.
Die Von Anfang an konsequent durchgeführten Arbeiten legten den Grundstein für spätere Materialaufnahmen und Datierungsversuche. Im Winter 1976/77 wurde die Zeit genutzt, um Dokumentationsunterlagen und Funde zu ordnen. Hierfür stellte uns Karl Hofferberth ein Stockwerk seines Hauses in Brensbach zur Verfügung. Ein Raum wurde als Funddepot eingerichtet. Das Nachbarzimmer verwandelte sich in eine Werkstatt zur Keramik-Restaurierung, wobei vor allem das Ehepaar Blumenschein, Hembach, besonderes Geschick zeigte.
Im Funddepot wurden alle Grabungsfunde nach Fundstelle und Datum geordnet. Die Einzelstücke bekamen eine Inventarnummer. Mit Grabungsprotokoll und Inventarbuch kann so jederzeit die Fundgeschichte eines jeden Einzelstückes nachvollzogen werden.
Bei der Durchsicht der zusammengesetzten Ziegelbruchstücke fiel auf, daß es sich zu über 90% um Halbrundziegel handelte. Dies bestätigte auch ihr Alter, denn die mittelalterlichen Dachdecker verwendeten überwiegend Halbrundziegel. Der notwendige Wechsel zwischen konkaver und konvexer Ziegelseite zur Erreichung der Fugendichte brachte dieser Deckungsart den sinnigen Namen “ Mönch-Nonnen-Deckung“ ein. (siehe Abb. nach G. Grein: Langen und seine Ziegeleien, 1977) Wie die Steinräuber nahezu jeden Stein mit „Gesicht“ aus dem großen Steinbruch Schnellerts entnommen haben, sind natürlich auch die noch brauchbaren Ziegel aus dem Schutt gezogen worden, denn Ziegel waren damals sehr teuer.
Frühjahr und Sommer 1977 standen im Zeichen der Konservierungsmaßnahmen. Ende April begann eine Baufirma mit der Konservierung und Ergänzung des 1975 freigelegten Turmstumpfes. An den vorangegangenen Wochenenden waren die Turmfundamente und das Fundament der angebundenen Schildmauer geputzt worden. Hierbei zeigte sich, daß die äußere Mauerschale der Schildmauer bis zum anstehenden Fels hinab ohne Mörtelverband nur in l – 5 Steinlagen erhalten war. Der minderwertige und dann auch noch sparsam verwendete Mörtel hatte sich in der Kohlensäure des Regenwassers und den von Pflanzenwurzeln ausgehenden organischen Säuren aufgelöst. Durch Steinraub und wohl auch durch Frost waren in der Vergangenheit etliche Steine aus der dennoch eindeutig erkennbaren Mauerflucht herausgeschoben worden. Nach Beendigung der Arbeiten präsentiert sich der Turmstumpf in etwa 1, 20 Höhe. Etwas höher ausgeführte Ergänzungen wären reine Phantasiebauten. Aus diesem Grunde bricht auch die Schildmauer scheinbar schräg ab.
Da im Bereich der Toranlage vom aufgehenden Mauerwerk der Mauerschalen kaum noch nennenswertes erhalten war, erlaubte uns die Denkmalpflege die Konservierung und Ergänzung in eigener Regie. Diese Arbeiten wurden unter der Leitung von Adam Bohländer, Brombachtal, durchgeführt, der sich noch sehr gut auf die Technik des „wilden Mauerwerks “ versteht.
Das Planum innere Nordwestmauer wurde tiefer gelegt, um die Fundament-Unterkante zu erreichen und um zu prüfen, ob unter der Brandlehmschicht des abgebrannten Fachwerkhauses keine älteren Schichten verborgen sind. Nach Erreichen der Fundamentunterkante wurden im Fundamentgraben wenige Keramikscherben der gleichen Typen wie in der bereits erwähnten Brandlehmschicht gefunden. Funde aus dem Fundamentgraben sind besonders wichtig, stammen sie doch aus der Erbauungszeit der Burg.
Alfred Lehmann, Darmstadt, zeichnete in den vergangenen Grabungskampagnen wieder die freigelegten Mauerteile. Markante Punkte wurden einnivelliert, d. h. ihre genaue Höhe über Normal Null gemessen. Wir arbeiten hierbei unter idealen Umständen, denn mitten in der Burg befindet sich ein alter Trigonometrischer Punkt, der mit der Höhenangabe von 350, 2 m ü. N. N. im Meßtischblatt eingetragen ist. Diese Höhenangaben werden benötigt, um den Zusammenhang der einzelnen Mauerteile im gesamten Burgbereich zu klären und Rückschlüsse auf die erfolgten Planierungsmaßnahmen bei Baubeginn ziehen zu können.
Hauptaugenmerk galt im Planum innere Nordwestmauer den Profilen mit ihrer Stratigraphie (Schichtenabfolge). Neun Meter Profile im Maßstab 1:20 wurden zeichnerisch festgehalten. In der technischen Profilzeichnung kann durch farbliche Hervorhebung das Wesentliche besser betont werden, als dies durch eine fotografische Aufnahme geschehen könnte.
Auf dem nebenstehenden Beispiel ist deutlich die typische Schichtenfolge im Bereich der inneren Nordwestmauer zu erkennen. Über rotviolettem Verwitterungsgruß des gewachsenen Bodens liegt die mittelalterliche Planierungsschicht, erkennbar an den humosen Einfüllungen und großen Steinen. Darüber erstreckt sich das Brandlehmband des zerstörten Fachwerkhauses, durchsetzt mit Holzkohlestückchen, Ziegeln, Scherben und kleinen Steinen. Die Planierungsschicht des 19. Jahrhunderts schließt in der Humuszone ab. Diese Planierungen zur Herrichtung des Schnellerts als Sänger- und Festplatz dokumentieren sich dem Ausgräber in einem Nebeneinander von Mittelalterscherben und Scherben neuzeitlicher Bierkrüge.
Mitte Mai 1977 haben Raubgräber die fundhaltige Lehmschicht herausgewühlt und das mühsam hergerichtete Profil sinnlos zerstört. Auch das Fundament des Torhauses höhlten zwei Monate später Unbekannte teilweise aus.
Im Bereich des Planums Toranlage wurde das südliche Fundament des Torhauses freigelegt. Hinweise für ein ehemals vorhandenes zweites Tor ergaben sich hierbei nicht. Adriane Kanerova, Klein-Umstadt, hat die zeichnerische Aufnahme des Grundrisses im Maßstab 1:20 durchgeführt.
Südlich des Torhausfundaments konnte im Profil der vermutliche Lehmlaufboden wieder erfaßt werden, der vielleicht den Boden der Wächterstube gebildet hat. Hier wurde wieder ein Armbrustbolzen gefunden.
Im angrenzenden Planum, das sich bis zum Ende des Torhausfundaments erstreckt, wurde die Lehmschicht in der Horizontalen erneut erfaßt. Sie liegt dort direkt auf dem anstehenden Fels auf. Auffällig sind die Holzkohlestückchen, die unter der Lehmschicht liegen. Eine Eingrabung durchschlug den Lehmboden, gut erkennbar im Profil durch die humosen Einfüllungen. Darin befanden sich Brandlehmbrocken, wenige Scherben und ein starkes Eisenmesser mit noch erhaltenen Nieten der Griffschalenbefestigung. Diese Funde lagen 1,10 m unter der heutigen Oberfläche.
Nach den Regengüssen dieses Sommers war der anstehende Fels in diesem Planum gut sichtbar geworden. Deutlich war zu sehen, wie knapp der Fundamentgraben von den Erbauern der Burg berechnet worden war. Die Klüfte des Gesteins streichen nach WNW (300). Bei sorgfältiger Grabung bleiben die Steine in der Streichrichtung liegen und lassen sich dann eindeutig von den Mauerresten unterscheiden.
Vom Planum Innere Nordwestmauer wurde zur Mitte des Burgplatzes hin ein neues Planum abgesteckt. Ziel der Maßnahme ist es, in der nächsten Kampagne einen kreuzförmigen Schnitt durch die Burg zu legen, um ihr gleichsam in die Seiten schauen zu können. Obervermessungsrat a. D. Heinrich Schneider, Darmstadt, hat mit seiner Gattin dieses Vorhaben dadurch eingeleitet, daß er den Burgberg zeichnerisch geschnitten hat. Sichtbare Mauern wurden hierbei schon berücksichtigt .
Die brennendste Frage, die uns bewegt, ist die Datierung des Schnellerts mit archäologischen Methoden. Unverzierte Waffen und Geräte eignen sich selten zur Lösung dieser Frage. Reine Zweckformen sind langlebig. Ein handgeschmiedeter Eisennagel ist von den Römern beinahe ebenso geformt worden wie von den Odenwälder Nagelschmieden der Neuzeit. Ähnliches gilt auch für die bis jetzt gefundene Keramik. Die unverzierten Kochtöpfe und Trinkbecher lassen sich nur der großen Zeitspanne von 1200 bis 1400 zuweisen, obwohl in Hessen zwei Burgen mit genauen Zerstörungsdaten bekannt sind und die dort gemachten Funde die „Leitfossilien“ der Mittelalterforschung liefern.
So richtet sich zur Zeit unsere ganze Hoffnung auf die 5 Münzen, die bisher gefunden wurden. Dr. W. Heß von Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde in Marburg, der zentral alle hessischen Fundmünzen des Mittelalters erfaßt, hat auch die Schnellertsmünzen bearbeitet.
Herr Dr. Heß hat die gefundenen Münzen wie folgt bestimmt:
Alle fünf auf dem Schnellerts gefundenen Münzen tragen das Gepräge des Handhellers, darunter eine Fälschung. Die zuerst in Schwäbisch-Hall und später auch andernorts geschlagenen Heller sind von der Mitte des 13. Jahrhunderts in den Odenwald eingedrungen und dann besonders lange, bis ins 15. Jahrhundert umgelaufen – d. h. noch lange, nachdem die Ausprägung der jüngsten Typen aufgehört hatte. Vereinzelt kommen sie noch in Schatzfunden um 1500 vor. Infolgedessen sind Heller zur Datierung archäologischer Schichten nur mit Einschränkung zu verwerten.
Bei dem Komplex Schnellerts lassen sich mit aller Vorsicht jedoch Indizien ableiten, die – sofern keine das Bild verändernden Neufunde hinzukommen mit einiger Wahrscheinlichkeit für eine Datierung herangezogen werden können:
- Es sind keine anderen Pfennigsorten des 14. oder 15. Jahrhunderts gefunden worden (Würzburger-, Schüsselpfennige, Binger-, Frankfurter Heller).
- Es fehlen auch die älteren in dieser Gegend bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts umgelaufenen Pfennigsorten (Wetterauer Brakteaten und zweiseitige Pfennige des Worms-Lorscher Währungsgebiets.)
Faßt man das alles zusammen, so deckt diese kleine Münzreihe den Zeitraum von der Mitte bis gegen das Ende des 13. Jahrhunderts ab – wobei sich freilich nicht ausschließen läßt, daß Stücke auch erst später in die Erde gekommen sind.
- Handheller, E. 12. /A. 13.Jhdt., kg1. Mst. Schwäbisch Hall verwilderter Heinricus-Typ, vgl. Nau, Abb. 5 – Fd.Bellheim 4; 0,37 g (Stierbach:Schnellerts – 2B 04 a)
- Handheller, 2. V. 13. Jhdt., „Halla“-Typ‚ vgl. Fd. Belzheim 14 —Fd. Röttingen 23, o, 425 g (Stierbach – Schnellerts – 2B 04 b)
- Handheller, 3.V. 13. Jhdt., Kgl.Ms. Schwäbisch Hall vgl. Fd Belzheim 18 – Fd. Dietzenbach 11 0,41 g (Stierbach: Schnellerts 2B 04 c)
- Handheller, (Fragment) 2.V. 13.Jhdt. (?) Kgl.Mst. Schwäbisch-Hall, anscheinend etwa Fd. Belzheim 20 o, 245 g (Stierbach: Schnellerts 2B 04 d)
- Falschgeld : Kupferner Handheller, unbek. Münzherr‚ unbek Mst, o, 26 g Vorbild etwa Fd. Belzheim 13 (Stierbach: Schnellerts 2B 04 e)
Comments by Norbert Fischer